Das nationale tschechische Referenzlabor für HIV/Aids hat vergangene Woche die neuesten Zahlen vorgestellt. Demnach haben sich in den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres mehr Menschen angesteckt als im bisherigen Rekordjahr 2010…
Marco Zimmermann | Ceský Rozhlas
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Im Jahr 1985 begann damals noch die Tschechoslowakei, die Zahl der HIV-Erkrankungen zu registrieren. Seitdem wurden hierzulande 1858 Personen mit der Immunschwäche gezählt: 1526 Männer und 332 Frauen. Auch wenn die Zahl im Vergleich zur Gesamtbevölkerung gering erscheint, sind die neuesten Zahlen für 2012 doch besorgniserregend: Ende September hatte das Referenzlabor bereits 198 neue Fälle registriert. Im bisherigen Rekordjahr 2010 wurden insgesamt 180 Neuansteckungen gezählt. Džamila Stehlíková leitet im tschechischen Gesundheitsamt das Nationale HIV/Aids-Programm:
„Der explosive Anstieg zeigt, dass die Entspannungsphase gegen Ende der 1990er Jahre vorbei ist. Wir leben in einer Zeit, in der das Ansteckungsrisiko wieder steigt, und das bringt auch große finanzielle Belastungen für den öffentlichen Haushalt mit sich.“
Die Behandlung und Pflege von HIV- und Aids-Patienten kosten den tschechischen Staat jährlich 350 Millionen Kronen (14 Millionen Euro), in die Prävention fließen aber nur knapp ein Hundertstel dieser Summe. Džamila Stehlíková:
„Tatsächlich sind die Gelder für Prävention gering. Wir investieren diese geringen Mittel hauptsächlich in die Prävention bei so genannten Risikogruppen: Drogenabhängige, Homosexuelle und Prostituierte. Und hier funktioniert die Prävention. Wir unterscheiden uns da nicht von anderen Ländern. Im europaweiten Durchschnitt werden zwei Prozent aller Mittel, die für die Behandlung von HIV aufgewendet werden, für die Prävention eingesetzt, in den USA sind es drei Prozent.“
Sind also geringere Präventionsausgaben verantwortlich für die steigenden Ansteckungszahlen? Džamila Stehlíková sieht diese Frage differenziert:
„Die Mittel zur Prävention sinken, vor zehn Jahren waren es noch 30 Millionen Kronen (1,2 Millionen Euro, Anm. d. Red.), die wir für spezifische Prävention ausgegeben haben, jetzt sind es nur noch 3 Millionen (12.000 Euro, Anm. d. Red.) – und wir hoffen, dass die Mittel nicht noch weiter sinken. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass sich die Menschen nicht verantwortungsbewusst benehmen, es ist nicht alles eine Sache der Prävention. In der Gesellschaft wird Aids nicht mehr als Gefahr, als Horror wahrgenommen, sondern als gewöhnliche, chronische Erkrankung.“
Der häufigste Grund für eine Infizierung ist dann auch in Tschechien ungeschützter Sex. Die Zahl der Neuansteckungen ist bei homosexuellen Männern mit 60 Prozent noch immer am höchsten, unter den Infizierten war mit 27 Prozent aber auch ein hoher Anteil heterosexueller Menschen. Stehlíková sieht weiterhin nur den einen, hinlänglich bekannten Ausweg:
„Der Weg muss sein, an die individuelle Verantwortung zu appellieren. Der Staat kann hier nicht alles leisten. Die Prävention im alltäglichen Leben, also die Einschränkung des sexuellen Verhalten durch die Nutzung von Kondomen, ist das Einzige, was schützt.“
In der Tschechischen Republik sind in den vergangenen neun Monaten 165 neue HIV-Erkrankungen gemeldet worden. Das sind bereits jetzt 12 Personen mehr als im gesamten vergangenen Jahr. An der Krankheit AIDS sind in diesem Jahr bisher 16 Menschen gestorben. Seit Beginn der offiziellen Zählung in der Tschechischen Republik 1985 haben sich insgesamt 1840 Personen mit HIV infiziert, bei 360 ist die Krankheit AIDS ausgebrochen und 186 sind dran gestorben.
Die Anzahl der Erkrankungen steigt seit etwa zehn Jahren kontinuierlich an. Im Jahr 2002 wurden 50 infizierte Personen gezählt, fünf Jahre später waren es bereits 121. Vertreter von Vereinen und Mediziner glauben, der Anstieg gehe auf die zunehmend erfolgreicheren Medikamente gegen die Immunschwächeerkrankung zurück. Durch die Fortschritte bei der Entwicklung führt HIV nicht mehr zwingend zum Ausbruch der Krankheit und AIDS-Patienten leben länger und können ein qualitativeres Leben führen. Daher würden sie häufiger aufhören, sich beim Sex zu schützen. Etwa 87 Prozent der Neuinfektionen geschieht beim Geschlechtsverkehr.
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