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Resilienz und Renitenz: Schreiben wirkt und wer schreibt, wirkt

Systemische Beratung in ihren unterschiedlichen Formaten zeichnet sich unter anderem durch den Einsatz kreativer Methoden als nachgewiesen wirkungsvolle Intervention aus. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des kreativen Schreibens in der psychosozialen Beratung, in Psychotherapie, Coaching, Supervision und Mediation, in Personalentwicklung und Organisationsberatung werden dabei allerdings bisher nur punktuell beachtet…

von Renate Haußmann und Petra Rechenberg-Winter
Alles, was in mir steckt: Kreatives Schreiben im systemischen Kontext

Noch fehlt kreativen, biografischen und therapeutischen Schreibansätzen die Anerkennung angrenzender Wissenschaften. Das mag daran liegen, dass entsprechende Wirksamkeitsnachweise die Hürden der Validität von Ergebnissen zu nehmen haben, die ihnen vor allem die qualitative Sozialforschung recht hoch steckt. Umso bedeutsamer ist es, dass inzwischen eine erste wissenschaftlich fundierte Zusammenfassung zu Einsatzfeldern und Wirkungsweisen der Poesietherapie vorliegt (Heimes, 2012), auf die wir nun zurückgreifen können.

Aus unseren interdisziplinären Professionen heraus und mit geschärftem Blick auf die Einsatzmöglichkeiten des kreativen Schreibens bei identifizierten gesellschaftlichen Problemen engagieren wir Autorinnen uns für die Verbreitung wissenschaftlich anerkannter Praxismodelle (Heimes, Rechenberg u. Haußmann, 2013). Darüber hinaus liegt uns die Entwicklung des kreativen Schreibens auf weitere beraterisch-systemisch relevante Handlungsfelder am Herzen.

Diese Motivation lässt uns Erkenntnisse des kreativ-biografischen und kreativ-therapeutischen Schreibens mit Erfahrungswissen aus systemischer Lehre, Therapie und Beratung verbinden. Ergänzt um neue Ergebnisse der Hirnforschung fassen wir unseren Ansatz unter dem Begriff kreatives Schreiben zusammen und stellen ihn ins Zentrum des systemischen Schreibwirkmodells, das wir auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und eigener Praxisforschungen erstellten und immer weiterentwickeln.

Es gründet sich auf unsere Berufserfahrungen in systemischer Therapie und Lehre einerseits und legt zum anderen den Fokus auf Personalentwicklung und Unternehmensberatung. Für diese Formate kreieren wir Schreibprojekte, die wir in unseren eigenen Tätigkeitsbereichen erproben und in diversen Fachkreisen diskutieren. Den gegenwärtigen Stand dieser Entwicklung stellen wir in diesem Buch vor. Wir möchten unsere Ideen zur breiteren Diskussion stellen, Kolleginnen unsere Erfahrungen weitergeben und sie für die Praxis nutzbar machen.

In drei Schritten zum Schreibwirkmodell

Dieses Buch führt in die wissenschaftlichen Grundlagen des kreativen Schreibens ein, wir Autorinnen beziehen uns auf den integrativen Ansatz der amerikanischen Schreibbewegung, der das kreative Schreiben als Stil, als Spiel und als Selbsttherapie definiert und mit neurophysiologischen Erkenntnissen verknüpft. (Rico, 1984/2004; von Werder, 2007)

Daneben stellen wir ausgewählte Aspekte aus systemischen Grundannahmen vor, die für das Verständnis von Schreibwirkungen besonders interessant sind. Nach Luhmann (1986) unterscheidet die Systemtheorie drei Systeme menschlichen Lebens, die in beständiger Interaktion stehen, das biologische, das psychische und das soziale System. Alle drei sind zwar existenziell aufeinander angewiesen, und sind doch autonome Systeme, die sich aufgrund ihrer jeweils eigenen Gesetzmäßigkeiten und Ausdrucksformen wie Umwelten zueinander verhalten.

Diese beiden Ansätze lassen sich auf ganz verschiedene Arten miteinander in Beziehung setzen. Eine Möglichkeit ist es, das kreative Schreiben in den Fokus eines ausgewählten Systems zu rücken, zum Beispiel einer Institution mit ihren Akteuren und täglichen Herausforderungen. Im wechselseitigen Bezug zwischen Personen und Organisation nimmt das kreative Schreiben nun Einfluss auf das ganze System, indem es nach innen identitätsbildend, stärkend und motivationsfördernd wirkt und nach außen Kunden bindet und Image fördert (Haußmann, 2013).

Um solche Wirksysteme durchzuspielen, gliedern wir unser Buch in drei Abschnitte.

Im Theorieteil setzen wir das systemische Schreibwirkmodell in Bezug zu ressourcenorientierter, systemischer Beratungsarbeit und befassen uns mit den Dimensionen des kreativen Schreibens aus wissenschaftlicher Herleitung und Erklärung. Mit der Positionierung zu unserem Systemverständnis entwerfen wir dann die Grundlagen für das Schreibwirkmodell und verknüpfen dessen Wirksamkeit mit aktuellen Erkenntnissen aus der Ressourcen- und Resilienzforschung.
Im Praxisteil stellen wir erprobte Projekte vor. Wir beschreiben kreatives Schreiben als Interventionsmethode, jedoch aus unterschiedlicher Systemperspektive. Wir greifen zwei zentrale Lebensbezüge heraus, in deren Mittelpunkt der Mensch steht. Dabei betrachten wir einmal den privaten Beziehungsraum durch die Brille psychologischer Beratung und zum anderen das individuelle Arbeitsfeld im Rahmen einer Maßnahme zur Personalentwicklung.
Im Anwendungsteil erstellen wir eine Sammlung der von uns eingesetzten Methoden und weiterführenden Literaturhinweisen, aus denen sich kreativ weitere Schreibaufgaben ableiten lassen. Dieses Material wird kommentiert, interpretiert und bewertet, so dass sich Methoden und Impulse zu immer neuen Instrumenten schmieden lassen. Dieser Fundus möchte zur interaktiven Entwicklung neuer Schreiberfahrungen anregen, die, wenn sie individuell und institutionell angepasst sind, zu immer neuen Konzepten für kreative Schreibprojekte führen können.

Dieses Buch ist ein Arbeitsbuch. In vielfältiger Weise lädt es ein, sich mit dem systemischen Schreibwirkmodell zu beschäftigen. Für Professionelle unterschiedlicher Disziplinen, die im Feld systemischer Beratungsarbeit tätig sind, ist es ein Interventionstool mit wertvollen Informationen und aktuellen Erkenntnissen. Am kreativen Schreiben Interessierte erfahren neue Einsatzfelder und Herangehensweisen. Um es in weitere Praxisfelder zu übertragen, regt das systemische Schreibwirkmodell zur theoretischen Einbettung in angrenzende Wissenschaften an. Und letztlich möchten wir Autorinnen alle, die mit dem systemischen Schreibwirkmodell arbeiten, ermuntern, ihre Ergebnisse zu evaluieren und zu kommunizieren.

Aus der Einleitung zu Alles, was in mir steckt: Kreatives Schreiben im systemischen Kontext, von Renate Haußmann und Petra Rechenberg-Winter.

Mehr dazu:
LaMachsikim ba:
Kreatives Schreiben als Therapieansatz

Kreatives Schreiben verhilft zu mehr Selbstwirksamkeit, zu mehr Selbstachtsamkeit und ist somit eine unerschöpfliche Kraftquelle…

Kontakt: Renate Haußmann und Petra Rechenberg-Winter
SCHREIBWEISE HAMBURG info@schreibweise-hamburg.de

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